Schon seit einigen Sonntagen erfahren wir aus dem Mk-Evangelium, wie Jesus körperlich und geistig kranke Menschen geheilt hat. Wer war dieser Jesus? Ein Mann mit magischen Kräften? Solche Menschen hat es immer gegeben und gibt es auch heute noch. Wir wissen, dass es zur Zeit Jesu herumreisende Heiler gab. Nur: diese ließen sich für ihre Dienste gut bezahlen. Das tat Jesus nicht. Beim heutigen Fall wird gesagt: „Voll Mitleid streckte Jesus die Hand aus..“ Er handelt aus Mitleid mit diesem Mann.
Und dann schickt Jesus ihn zu den Priestern, die bestätigen sollen, dass dieser Mann geheilt ist. Das war damals Vorschrift, sicher bei schweren, normalerweise unheilbaren Krankheiten. Aber Jesus fügt hinzu: Die Priester sollen sehen, „dass ich im Auftrag Gottes handle“. Bei einem anderen Heilungsfall wird gesagt, wie Jesus spürte, dass „eine Kraft von ihm ausging“, die Kraft Gottes. „Ich will es, sei gesund“, sagt er zu dem Aussätzigen. Jesus handelt ganz selbstbewusst: in und durch ihn wirkt Gott selbst heilend im Leben dieses Mannes. Durch Jesus wirkt Gott. In ihm zeigt Gott seine Zuneigung und seine Liebe zu den Menschen.
Die Heilungen sind die Bestätigung dafür, dass Gott Jesus gesandt hat, um den Menschen zu sagen, dass er, Gott, es mit den Menschen gut meint und ihr Wohl will. Die Heilungen sind Liebestaten Gottes. Mit diesem Gott will Jesus die Menschen vertraut machen, an diesen Gott sollen sie glauben. Das betrachtete Jesus als seine eigentliche Aufgabe. So war dieser Jesus.
Ist das aber nur Vergangenheit? Hat dieser Jesus auch noch Bedeutung für uns, heute? Es geht nicht nur um die Frage „Wer war dieser Jesus“, sondern um die Frage: „Wer ist dieser Jesus jetzt, für mich?“ Ich nenne mich doch „Christ“, Anhänger von Jesus Christus. D.h.: Ich glaube, dass die Geschichte mit Jesus nicht durch seinen Tod der Vergangenheit angehört. Ich glaube, dass dieser Jesus lebt (weil Gott ihn „auferweckt“ hat) und unter den Menschen weiterwirkt. Natürlich nicht physisch, wie damals. Er legt uns nicht die Hand auf, wenn wir krank sind. Dann gehen wir zum Arzt. Aber Jesus wirkt weiter durch seine Worte, durch seine Botschaft von und über Gott.
Jedes Mal, wenn wir – zum Beispiel am Sonntag – einen Ausschnitt aus den Evangelien hören, ist das eine Art Begegnung mit Jesus. Wir lernen ihn immer besser kennen, entdecken immer wieder andere Seiten an ihm. Jesus weist uns immer noch den Weg zu Gott, hilft uns, durch die Art und Weise, wie er von Gott spricht, an einen uns liebenden Gott zu glauben, zu diesem Gott Vertrauen zu gewinnen, uns mit ihm verbunden zu wissen. Ich glaube an den Gott von Jesus Christus, an Gott, wie er durch Jesus bekannt gemacht wurde.
Über Gott ist ja in der Geschichte der Menschheit schon viel erzählt worden. Es gab und gibt so viele unterschiedliche Vorstellungen von Gott. Ich glaube aber an den Gott von Jesus. Das ist für mich der wahre Gott. Durch Jesus hat Gott in die Menschheitsgeschichte wieder eingegriffen, neuen Kontakt zu den Menschen gesucht. Vielleicht wollte Gott eine Art „Kurskorrektur“ im Leben der Menschen anbringen, eine neue Orientierung, die unbedingt notwendig ist, denn in dieser Welt läuft es wirklich nicht so, wie Gott es sich gedacht hat, als er die Menschen schuf.
Und da denke ich an den Rat von Paulus in der heutigen ersten Lesung gibt: „Nehmt Jesus Christus zum Vorbild.“ Er ist das Vorbild, von dem wir abschauen können, was Christsein heißt: Leben wie Jesus, mit seiner Einstellung zu Gott. Natürlich können wir Jesus nicht kopieren. Aber wir können von ihm lernen, uns von ihm formen lassen. Es geht um unsere Grundeinstellung Gott gegenüber. Gott soll in unserem Bewusstsein, in unserem Denken und Handeln anwesend sein. Unser ganzes Leben soll vor Gott und mit Gott gelebt werden. Das ist es, was wir von Jesus lernen können. Das ist seine Bedeutung für uns heute.